«Durchhalten: 2022 wird die Messewirtschaft in Atem halten»

Erfolgreiche Messeveranstalter streben in den nächsten fünf Jahren einen Anteil am digitalen Geschäft von 20 – 35 Prozent an. Messeveranstalter müssen die notwendige digitale Transformation und Communitybildung auf die Schiene bringen und die Ära der Pandemie überwinden.

Herr Heinrich, was bewegt Sie zur Messewirtschaft zur Zeit am meisten?

 

Es sind schon verrückte und turbulente Zeiten. Einerseits müssen wir wie auch fast alle Messeveranstalter permanent auf kurzfristige Änderungen der Politik und damit auf verschobene oder gar abgesagte Messe reagieren. Andererseits waren die Zeiten gerade im Hinblick auf die digitale Transformation im Messewesen noch nie so spannend. Dieses Thema haben wir uns bereits zur Firmengründung 2006 auf die Fahnen geschrieben. Aber so viel wie jetzt haben wir noch nie gearbeitet

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adventics ist die Kreateurin der «Scan2Lead»-Lösung für Messeveranstalter respektive deren Kunden. Was leistet dieses Tool für Aussteller?

 

Die größten Messeplätze in Deutschland, der Schweiz und jetzt auch in Italien nutzen Scan2Lead. Aussteller scannen dabei ihre Standbesucher, erhalten sofort alle Besucherdetails inklusive der Profil-Informationen, ergänzen dies strukturiert mit ihren Gesprächsinformationen und haben alles digital für den erfolgreichen Follow-Up auf Knopfdruck zur Verfügung. In Zeiten, in denen Messekontakte häufig eine höhere Qualität haben, aber tendenziell weniger werden, ist das ein unschlagbarer Vorteil für Aussteller.

 

adventics waren wahrscheinlich die ersten, die bereits 2009 Scan2Lead auf dem iPhone auch als App angeboten haben. Seitdem sind jedes Jahr kontinuierlich weitere Innovationen in unsere Produkte geflossen, damit wir auch weiterhin den Vorsprung halten und sogar ausbauen können.

 

Scan2Lead bietet Ausstellern jetzt ein breites Portfolio von Apps über verschiedene Scannervarianten bis hin zu unserem neuesten Produkt «InfoPoint», einer Säule mit einem iPad für den interaktiven Self-Service Scan durch den Besucher. Die InfoPoints sind zum Beispiel bei der Sindex in Bern sehr gut angekommen und werden auch wieder bei der BLE.CH, ebenfalls Bernexpo Groupe, zum Einsatz kommen.

Der Herbst 2021 hat gezeigt, dass die Wirtschaft Messen braucht. Was ist ihre Prognose für das Medium Messe? Und teilen Sie die Ansicht, dass jetzt regionale Messen gewinnen und die berühmten Weltleitmessen in Deutschland verlieren werden?

 

Das ist ein großes Thema. Als Beraterin arbeiten wir für viele große Messen. Darunter auch internationale Leitmessen wie die bauma, die Frankfurter Buchmesse oder die Agritechnica. Wir werden jetzt international beschleunigt einige Veränderungen erleben, die bei vielen schon länger auf der Agenda standen. Nur war es bisher eben nicht unbedingt notwendig, mit aller Vehemenz den Wandel auf den Weg zu bringen. Jetzt ist es nötig.

 

Es werden die Messen gewinnen, die mutiger, schneller und innovativer sind als andere und die, die Projekte umsetzen und nicht nur darüber reden. Das können natürlich auch kleinere, regionale Formate machen.

 

Wir sehen neben der notwendigerweise vorauszusetzenden operativen Messekompetenz vor allem zwei Felder, die verstärkt auszubauen sind: Erstens die digitalen Kompetenzen, bei denen sich aber Messen im starken Wettbewerb mit vielen anderen auch nicht gerade unattraktiven Branchen und Unternehmen befinden. Zweitens die Community-Kompetenz, bei der Messeveranstalter noch stärker als bisher die Bedürfnisse aller Marktteilnehmer ihrer Messe verstehen müssen.

Welche Prognose stellen Sie für das Messejahr 2022? Und werden Messen für die ausstellende Wirtschaft jetzt teurer wegen höherer Material-, Energie- und Fachkräftekosten?

 

Unsere Einschätzung ist, dass das aktuell medienbeherrschende Thema der Pandemie mittel- bis langfristig glücklicherweise wieder an Dominanz verlieren wird. 2022 wird es aber die Messebranche noch in Atem halten. Der Restart wird viel Kraft und Durchhaltevermögen benötigen. Und parallel müssen die oben erwähnten notwendigen Veränderungen auf die Schiene gebracht werden.

 

Ich rate jedoch zur Vorsicht, die dabei entstehenden Kosten auf die Beteiligungspreise umzulegen. Messen befinden sich sichtbarer denn je im direkten Wettbewerb mit anderen Marketinginstrumenten und deren Kosten:Nutzenrelation deutlich klarer messbar ist. Ausstellende Unternehmen haben in der Zeit der Pandemie hier schnell dazugelernt. Gerade bei der Messbarkeit und der Darstellung der Wirksamkeit hat das Marketinginstrument Messe noch klaren Nachholbedarf.

adventics sagt auf seiner Website, mit «digital business» könnten für Messen zusätzliche Einnahmen generiert werden, wie?

 

Erfolgreiche Messeveranstalter streben in den nächsten 5 Jahren einen Anteil am digitalen Geschäft von 20 – 35 Prozent an. Es gibt ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Produkten, die in diesem Fall auf der Roadmap stehen. An Marketing und den Vertrieb müssen von Anfang an bedacht werden. Hier braucht es häufig neue Köpfe, neue Mechanismen und ein neues Pricing.

 

Veranstalter, die ihre bisherigen digitalen Ansätze als zusätzlichen kostenlosen Service begreifen laufen in die Geldfalle. Das ist bereits mittelfristig nicht mehr durchhaltbar.

 

Veranstalter, die den methodischen Dialog mit ihren potentiellen Kunden neugestalten und intensivieren, daraus das Kerngeschäft ergänzende Offerings entwickeln, die diese erfolgreich, teilweise in Partnerschaften, vermarkten und monetarisieren und dann auch noch gegenüber ihren Kunden den Erfolg messen und vermitteln; diese werden dann auch zukünftig erfolgreiche Partner ihrer ausstellenden Kunden sein.